200. Todestag von Luigi Boccherini
Gedenktage zum Musikleben: 28. Mai 2005
Kurzinformationen
Volltext
"Ich war ja so überrascht, meine Herren, als ich hörte, was
Sie vorhin spielten. Es brachte mir etwas wieder in Erinnerung zurück, das
mir längst aus dem Gedächtnis entschwunden war, nämlich die Feier zu meinem
zwanzigsten Geburtstag. Ich weiß noch, mein Vater hatte ein Streichquintett
engagiert, das mir abends ein Ständchen bringen sollte. Sie spielten gerade
das Menuett von Boccherini, da kam jemand und meldete, die Königin Victoria
sei plötzlich entschlafen",
erläutert Mrs. Louisa Wilberforce in dem britischen
Spielfilm The Ladykillers dem sichtlich genervten Gangsterquintett,
das sich als Kammermusikensemble getarnt bei der vertrauensseligen Witwe eingemietet
hat, um einen raffiniert geplanten Raubüberfall zu begehen. Beim Versuch,
Mrs. Wilberforce aus dem Weg zu räumen, kommen die Gauner, die von Alec Guinness,
Cecil Parker, Herbert Lom, Peter Sellers und Danny Green verkörpert werden,
nacheinander ums Leben und vererben der alten Dame unfreiwilligerweise die
gesamte Beute.
Der berühmte Film aus dem Jahre 1955 war zwar nicht der Ausgangspunkt
für die Popularität des Menuetts von Boccherini, doch leistete er der
Beliebtheit dieses galanten kammermusikalischen Kleinods weiteren Vorschub.
Das Menuett entstand im Jahre 1771 als dritter Satz des Quintetts E-Dur, op. 11,5 (G 275) für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli. Es wurde vier
Jahre später unter einer anderen Opuszahl, nämlich als op. 13,5, veröffentlicht,
fand aber damals keine sonderliche Beachtung. Erst knapp 100 Jahre später
trat das Menuett von Boccherini von Frankreich aus seinen Siegeszug
an. Bis heute hat es nichts von seiner Beliebtheit verloren. Davon zeugen
die unzähligen Bearbeitungen und Adaptationen wie zum Beispiel der Schlager
Anneliese komm', wir woll'n ins Kino gehen. Der Urheber des Menuetts
ist aber einer breiteren Öffentlichkeit kaum noch bekannt, obwohl er neben
Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart zu den wichtigsten Komponisten des
ausgehenden 18. Jahrhunderts zählt. Die Musikwissenschaft mißt Luigi Boccherini
bei der Entwicklung des klassischen Streichquartetts eine ebenso große Rolle
bei wie Joseph Haydn, der als Erfinder dieser zentralen Gattung der Kammermusik
gilt.
Luigi Boccherini wurde am 19. Februar 1743 als drittes Kind
von Leopoldo und Maria Boccherini in Lucca geboren. Er erlernte von seinem
Vater und später von das Cellospiel. Um
sein musikalisches Wissen zu vervollständigen, ging Boccherini nach Rom, wo
man ihn scherzhaft Giovannino del Violoncello nannte. Nach seiner Rückkehr
wurde er Cellist in der Cappella Palatina von Lucca. Mit seinem Freund
Filippo Manfredi unternahm er ausgedehnte Konzertreisen durch Italien, Österreich
und Frankreich. Auch als Komponist feierte er erste Erfolge. Die meisten seiner
Kompositionen veröffentlichte Boccherini in Paris, wo er sich 1767/68 aufhielt.
Von Paris aus wollte er ursprünglich zusammen mit Manfredi nach England übersiedeln,
doch änderten die Künstler ihre Meinung und gingen nach Madrid, weil der spanische
Botschafter lukrative Anstellungen in Aussicht gestellt hatte. Der spanische
Infant Don Luis stellte Luigi Boccherini mit Erlaubnis von König Karl III.
im November 1770 als compositore e virtuoso di camera ein. Nach seiner
nicht standesgemäßen Heirat zog sich Don Luis 1777 mit seinen Bediensteten
nach Las Arenas de San Pedro in der Provinz Avila zurück. Dort arbeitete Boccherini
bis 1785 in vollkommener Abgeschiedenheit. Nach dem Tode des Infanten kehrte
Boccherini nach Madrid zurück und wurde músico agregado a la Real Capilla.
1786 ernannte Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen Boccherini zum Compositeur
de notre chambre und gewährte ihm ein Jahresgehalt von 1000 Talern. Dafür
lieferte Boccherini zwölf Kompositionen pro Jahr nach Berlin, behielt aber
seinen Wohnsitz in Madrid. Der wenig später zum König von Preußen gekrönte
Friedrich Wilhelm II. spielte ausgezeichnet Violoncello, und darum versuchten
zahlreiche Komponisten, die Gunst des Königs zu erwerben. Boccherini hatte
berühmte Konkurrenten: Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van
Beethoven. Für Friedrich Wilhelm II. schrieb Haydn seine Streichquartette
op. 50, Mozart seine Preußischen Quartette KV 575, 589, 590 und Beethoven
seine Cellosonaten op. 5. Der unerwartete Tod des Preußenkönigs im Jahre 1797
brachte Boccherini in finanzielle Schwierigkeiten. Einen neuen Mäzen fand
er in Lucien Bonaparte, dem Bruder Napoleons, der französischer Botschafter
am Madrider Hof war. Trotz der Unterstützung wohlhabender Gönner lebte Boccherini
in eher bescheidenen Verhältnissen. Er starb am 28. Mai 1805 in Madrid an
Bauchhöhlentuberkulose. Im Jahre 1927 wurden seine sterblichen Überreste nach
Lucca überführt und dort in der Basilika San Francesco beigesetzt.
Luigi Boccherini war ein äußerst produktiver Komponist. Er
schrieb überwiegend Kammermusik: 125 Streichquintette, 91 Streichquartette
und über 100 kammermusikalische Werke in unterschiedlichen Besetzungen. Zu
seinem Œuvre zählen aber auch rund 20 Sinfonien, elf Cellokonzerte, einige
Divertimenti, Oratorien und Bühnenwerke. Von seinen wenigen geistlichen Werken
ist das Stabat Mater am bekanntesten. Unsterblich hat Boccherini aber
das Menuett gemacht:
Luigi Boccherini (1743-1805)
Hörzitat (2'58''): Minuetto (3), bearbeitet
für Unterhaltungskapelle
Aus: Quintett E-Dur, op. 11,5 (= op. 13,5), G 275 (für 2 Violinen, Viola und
2 Violoncelli)
Kapelle Wilfried Krüger
Aufnahme: Reichssender Berlin
Aufnahmedatum: 27. März 1942
Aufnahmeort: Berlin, Funkhaus Masurenallee, Saal 1
DRA-Bestellnummer: B003243992
Aufnahmen von
Werken Luigi Boccherinis
Die im Deutschen Rundfunkarchiv vorhandenen Aufnahmen von Werken Luigi
Boccherinis (14 Seiten, 135 KB) sind in einer PDF-Datei zusammengestellt.
Für journalistische, wissenschaftliche und kulturelle Zwecke können
hiervon Umschnitte im DRA bestellt werden.
Stand: 28. Mai 2005