Beate Klarsfeld mit Ehemann Serge, 1979 | Bildquelle: dpa - Report/Wilhelm Leuschner

Beate Klarsfeld, Nazi-Jägerin

Die deutsch-französische Journalistin machte es sich zur Lebensaufgabe, NS-Verbrecher aufzuspüren und für ihre Taten zur Verantwortung zu ziehen. Immer wieder protestierte sie mit spektakulären Aktionen gegen das Verdrängen der deutschen Vergangenheit – und prägte so die Erinnerungskultur der Bundesrepublik.

Ohrfeige für den Kanzler

Ihr Kampf begann mit der wohl berühmtesten Ohrfeige der Nachkriegsgeschichte. Am 7. November 1968 verschaffte sich die damals 29-jährige Studentin Beate Klarsfeld mit einem falschen Presseausweis Zutritt zum CDU-Parteitag in der Berliner Kongresshalle. Unter einem Vorwand gelangte sie aufs Podium – und ohrfeigte den deutschen Bundeskanzler. Für die zweifache Mutter war es unvorstellbar, dass mit Kurt Georg Kiesinger (CDU), der seit 1966 die Große Koalition anführte, ein vormals hochrangiger Funktionär im Propagandaapparat der Nationalsozialisten die Geschicke der Bundesrepublik lenken sollte. Monatelang hatte sie mit publizistischen Mitteln versucht, eine öffentliche Debatte über Kiesingers NS-Vergangenheit anzustoßen – vergeblich. Erst ihre medienwirksame Aktion brachte das Thema in die Schlagzeilen, wie sie in einem Interview mit der »Aktuellen Kamera« erklärte.

Interview mit Beate Klarsfeld in der »Aktuellen Kamera«. 08.11.1968 (IDNR 081067)

Protest der Nachkriegsjugend

Die Ohrfeige wurde zum Symbol einer rebellierenden Jugend gegen das Schweigen der Eltern. Beate Klarsfeld, am 13. Februar 1939 in Berlin geboren, war selbst Tochter eines Wehrmachtsangehörigen. Doch über die Vergangenheit sprachen ihre Eltern kaum – wie die meisten Deutschen. Erst als sie 1960 nach Paris übersiedelte, erfuhr sie vom Ausmaß der deutschen Verbrechen. Hier lernte sie ihren späteren Ehemann Serge Klarsfeld kennen, dessen Vater als Jude in Auschwitz ermordet worden war. Gemeinsam wurden sie zu Europas bekanntesten Nazi-Jägern: Während Serge als Historiker und Anwalt die Beweise gegen die Täter zusammentrug, agierte Beate häufig öffentlich mit spektakulären Protestaktionen.

Lischka-Prozess

So auch im Fall von Kurt Lischka, dem früheren Gestapo-Chef von Paris und einem der Hauptverantwortlichen für die Juden-Deportationen aus Frankreich, den die Klarsfelds in Köln ausfindig machten. In Frankreich als Kriegsverbrecher verurteilt, musste Lischka in der Bundesrepublik weder Strafverfolgung noch Auslieferung fürchten. 1971 versuchten die Klarsfelds, Lischka gewaltsam nach Paris zu verschleppen, um ihn der französischen Justiz zu übergeben. Der Entführungsversuch scheiterte, doch Beate Klarsfeld informierte die Presse und stellte sich den deutschen Behörden. Anstelle des SS-Mannes musste sie sich nun selbst vor Gericht verantworten. Dabei nutzte sie das öffentliche Interesse an ihrem Prozess, um die anhaltende Strafffreiheit von NS-Verbrechen anzuprangern. Gemeinsam mit den Nachkommen der aus Frankreich deportierten Juden reiste sie regelmäßig zu Protestaktionen nach Deutschland, wo diese häufig in KZ-Uniform und mit gelbem »Judenstern« demonstrierten. Nicht zuletzt diesem Engagement sei es zu verdanken, dass es 1979 doch noch zum Prozess gegen Lischka kam, wie eine Nebenklägerin, die den Großteil ihrer Familie im Holocaust verloren hatte, einem ostdeutschen Gerichtsreporter anvertraute. 

Lischka-Prozess in Köln: Gespräch mit der Nebenklägerin Madame Zaidman. 26.10.1979 (KONF 1895118)

Späte Anerkennung

Während Beate Klarsfeld in Frankreich und Israel schon früh für ihr Engagement bei der Aufklärung von NS-Verbrechen ausgezeichnet wurde, blieb ihr eine solche Anerkennung in der Bundesrepublik lange verwehrt. Teile der westdeutschen Öffentlichkeit nahmen sie vielmehr als »Nestbeschmutzerin« wahr und rückten ihren zivilen Ungehorsam in die Nähe von Terrorismus. Sie selbst empfand es dagegen als ihre historische und moralische Verpflichtung als Deutsche, Verantwortung für die Vergangenheit zu übernehmen, wie sie 1989 in einem Interview mit dem Jugendmagazin Elf 99 erklärte.

»Elf 99«: Gespräch mit Beate Klarsfeld. 17.11.1989 (IDNR 038322)

Erst im wiedervereinigten Deutschland fand ihr Engagement eine späte Würdigung. 2015 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.

Philipp Winkler

Literatur-Tipps

  • Anne Klein (Hg.): Der Lischka-Prozess. Eine jüdisch-französisch-deutsche Erinnerungsgeschichte, Berlin 2013
  • Beate und Serge Klarsfeld: Erinnerungen, München/Berlin 2015

 

CD-Tipps

  • Aufklärung statt Bewältigung. Tondokumente zur Berichterstattung von Axel Eggebrecht über den ersten Auschwitz-Prozess mehr
  • Das Verbrechen hinter den Worten. Tondokumente (1930-1964) zum nationalsozialistischen Völkermord mehr

 

Online-Tipps

  • Deutschlandfunk: Zeitzeugen im Gespräch. Beate und Serge Klarsfeld DLF-Audiothek
  • Deutschlandfunk: Beate Klarsfeld wird 80 mehr