Michael Kohl (DDR) und Egon Bahr (BRD) unterzeichnen am 17.12.1971 den Transitvertrag | Bildquelle: dpa/Klaus Rose

Egon Bahr: »Wandel durch Annäherung«

Seit Januar 1960 war Sozialdemokrat Egon Bahr enger Mitarbeiter von Willy Brandt, zunächst als Pressesprecher des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, später als Staatssekretär im Bundeskanzleramt. In den folgenden Jahren stellten beide die Weichen für die neue Ostpolitik der Bundesregierung, die auf eine Entspannung im Verhältnis beider deutscher Staaten zielte.

Egon Bahr zur Annäherung beider deutscher Staaten. 02.10.1990 (KONF 1871655)

Die neue Ostpolitik sollte die Spaltung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, die durch den Mauerbau vom 13. August 1961 noch vertieft wurde, in kleinen Schritten nach und nach überwinden helfen. Als Leitidee formulierte Bahr den Begriff »Wandel durch Annäherung« in einem Vortrag am 15. Juli 1963 auf einer Tagung der Evangelischen Akademie im bayerischen Tutzing. 

"Ich denke an diese Rede immer noch ganz gern zurück. Ich denke weniger gern zurück an die Kloppe, die ich dafür bekommen habe."

Er konnte nicht absehen, welche Karriere seine Formulierung machen würde. Durch eine kurzfristige Programmänderung fiel sein Beitrag vor den von Willy Brandt und erhielt eine so nicht vorgesehene Aufmerksamkeit. Tonaufnahmen von der Tagung selbst sind nicht bekannt. 29 Jahre später erinnerte sich Bahr in einem Interview mit dem Rundfunk der DDR an die Reaktionen seiner Parteikollegen auf die Rede:

Egon Bahr erinnert sich an die Reaktion seiner Parteikollegen auf die Tutzinger Rede. 02.10.1990 (KONF 1871655)

Im November 1970 begannen Gespräche zwischen Bahr und Michael Kohl, Staatssekretär beim Ministerrat der DDR, zur Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Staaten, die den Abschluss des Transitabkommens im Dezember 1971 und des Verkehrsvertrags im Mai 1972 nach sich zogen.

Am 21. Dezember 1972 wurde der »Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik«, der Grundlagenvertrag, unterzeichnet. Auf der anschließenden Pressekonferenz äußerte sich Bahr hinsichtlich der innerdeutschen Beziehungen:

Egon Bahr auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Michael Kohl nach der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages. 21.12.1972 (ID 058063)

Wegen seiner Verdienste um die neue Ostpolitik wird Egon Bahr heute gern als »Botschafter Willy Brandts« und »Architekt der Ostpolitik« bezeichnet.

Friedrich Dethlefs / Claudia Hunold

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