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Die berufstätige Frau in der DDR: echte Emanzipation oder Propaganda?

Frauenkonferenz in Berlin (Screenshot aus »Aktuelle Kamera« vom 5. Januar 1962.

Frauenkonferenz in Berlin (Screenshot aus »Aktuelle Kamera« vom 5. Januar 1962).

Mann zeigt anderem Mann Fotoalbum, Frau sitzt ein bisschen im Hintergrund

Ehemann (rechts) zeigt stolz das Familienfotoalbum, in dem er bei der Verrichtung häuslicher Aufgaben zu sehen ist (Screenshot aus »Prisma« vom 11. Juli 1963).

Foto von Mann mit Schürze, der Geschirr abtrocknet

»Die Schürze gehört Ihnen nicht!« und »Geht viel kaputt?« – so kommentiert der Reporter das Foto vom Hausmann beim Abwaschen (Screenshot aus »Prisma« vom 11. Juli 1963).

Einerseits galt die DDR lange als Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung, andererseits stimmte die Realität nicht unbedingt mit der staatlichen Propaganda überein. Zum Internationalen Frauentag am 8. März präsentiert »Retro Spezial DDR« eine Sammlung zur berufstätigen Frau in der DDR. 

Die berufstätige Frau im Sozialismus
Der Internationale Frauentag wurde in der DDR sehr aktiv begangen, wobei die berufliche Emanzipation von Frauen im Mittelpunkt stand. Tatsächlich war in der DDR ein größerer Anteil an Frauen berufstätig als in der BRD. Das hatte jedoch keineswegs (nur) emanzipatorische Gründe, sondern lag auch an volkswirtschaftlicher Notwendigkeit: Die DDR war auf die Arbeitskräfte angewiesen. Zudem schulterten viele berufstätige Frauen die Doppelbelastung von Erwerbstätigkeit und reproduktiver Arbeit, wie etwa Haushaltsführung und Kindererziehung. Echte Gleichstellung gab es in der Praxis nur bedingt.

Darstellung der Emanzipation im Fernsehen
Die Sammlung in der Mediathek besteht aus Beiträgen der Aktuellen Kamera und des innenpolitischen Magazins Prisma über die häusliche Aufgabenteilung, über die berufliche Qualifizierung von Frauen und über Frauen in verschiedenen Berufen. Ein Beitrag in »Prisma« porträtiert zum Beispiel eine Frau, die ein Transformatorenwerk leitet. Auf plakative Weise wird inszeniert, wie sie sich gegen die Zweifel männlicher Angestellter durchsetzt und schließlich Akzeptanz erfährt. Die Lehre daraus: In der DDR sei es mittlerweile selbstverständlich, dass Frauen zu Führungsrollen auch in technischen Betrieben befähigt sind. In der Realität hatten jedoch nur wenige Frauen leitende Positionen inne. 

Gleichstellung als ambivalentes Thema
Gerade »Prisma« ist in diesem Kontext interessant. Die Beiträge der Sendung, die verhältnismäßig kritische Stimmen zuließ, bringen zum einen die Vision von Gleichstellung zum Ausdruck, thematisieren zum anderen aber auch Probleme und Handlungsbedarf. Auch wenn also die Wirklichkeit für Frauen oft anders aussah als in der staatlichen Propaganda, wurden im DDR-Rundfunk moderne Gedanken zum Thema Gleichberechtigung geäußert: Eine Frau kann ein Unternehmen leiten. Ein Mann kann einen Kinderwagen schieben und muss mehr Verantwortung übernehmen, damit die Frau ihrem Beruf nachgehen kann. Die Gleichstellung von Mann und Frau in der DDR bleibt vor dem Hintergrund ein ambivalentes Thema.