Horst Lehn, Eva Maria Hagen und Intendant Heinz Adameck im Gespräch. Diese Folge ist im DRA lediglich durch Fotos überliefert. | Bildquelle: DRA/Klaus Winkler (1662836)

Der Fernsehfunk in eigener Sache

Fernsehen als Massenmedium

Anfang der 1960er Jahre avancierte das Fernsehen in der DDR zu einem Massenmedium. Gab es im September 1960 rund 850 000 angemeldete Fernsehgeräte, vor denen statistisch gesehen durchschnittlich drei Personen saßen, wurde bereits kurze Zeit später die Millionengrenze erreicht. Als Mittel zur sozialistischen Bewusstseinsbildung sparte der DFF nicht an personellen und technischen Ressourcen. In dieser Zeit begann Heinz Adameck, seit 1954 Intendant des Deutschen Fernsehfunks, sich vermehrt in der Presse zu Wort zu melden, um bei den Lesern für den Deutschen Fernsehfunk (DFF) zu werben. In den 1960er und 1970er Jahren war er immer wieder im Fernsehen zu sehen: Als Gast, vereinzelt auch als Leiter von Gesprächsrunden, sprach er mit Fernsehkritikern und Mitwirkenden über technische, inhaltliche und künstlerische Entwicklungen im Fernsehprogramm.

Das Publikum als Gestalter

In Anlehnung an die »traditionelle Verbundenheit des sozialistischen Journalismus mit dem Menschen« betonte Adameck immer wieder, wie wichtig die Beteiligung des Zuschauers am Programm sei. Der Deutsche Fernsehfunk schien in dieser Zeit sichtlich bemüht, Anregungen aus dem Publikum aufzunehmen und umzusetzen. Neben der Auswertung von Zuschauerbriefen waren es auch Aufrufe an das Fernsehpublikum, sich mit Ideen aktiv an der Programmgestaltung zu beteiligen. Eine Jury befand dann beispielsweise über die besten Ideen, die mit Büchergutscheinen honoriert wurden. Auch über die Auflösung von mehrteiligen Kriminalfällen sollte das Publikum eingebunden werden: Vor Ausstrahlung der letzten Folge sollten die Zuschauer den Täter raten und ihre Lösung einsenden.

Mitunter war aber schwer greifbar, was die Gründe für Entscheidungen in der Programmausrichtung waren, zum Beispiel wenn der Intendant versuchte, kulturpolitische Entscheidungen mit Zuschauerwünschen zu legitimieren. Bei einer Diskussion über Unterhaltungssendungen gab Heinz Adameck beispielsweise an, dass Laien beim Publikum beliebter seien als professionelle Künstler. Es stellt sich hier rückblickend die Frage, ob diese Tendenz wirklich durch Zuschauerbefragungen in Erfahrung gebracht wurde, oder ob diese Programmausrichtung nicht vielmehr aus politischen Gründen vollzogen wurde – im Zeichen des  »Bitterfelder Wegs«, einer in der ersten Hälfte der 1960er Jahre proklamierten Kulturpolitik, die versuchte Künstler und Arbeiter einander näher zu bringen und die auch zu einem Aufschwung der Laienkunstbewegung beitrug. Hinter der Idee, mehr Laienkünstler im Programm zu zeigen, könnte demnach auch nur die Idee der Fernsehschaffenden und Funktionäre gestanden haben, dass hierüber Fernsehen für und mit der Bevölkerung gestaltet werden könnte.

Irma Zimm, Gerhard Klein, Annekathrin Bürger und Heinz Adameck (v. l. n. r.) sowie Ulrich Thein in der Sendung »Kleines Fernsehforum«. 16.11.1963 (ID 043947)

Der Kulturfunktionär lenkt

Doch nicht nur die Zuschauer sollten einbezogen werden, sondern auch die Mitwirkenden. So sprach Heinz Adameck mit Wissenschaftlern und lobte sie für ihre Bereitschaft, den Fernsehfunk zu unterstützen. In der Gesprächsrunde bestand Einigkeit, dass es Mut brauche, über komplexe wissenschaftliche Themen in einfacher Sprache für den Laien zu sprechen. Mit bekannten Unterhaltungskünstlern, wie beispielsweise Heinz Quermann, sprach Adameck über die Notwendigkeit, Unterhaltungssendungen zu verändern. Ungewohnt ungezwungen erschien ein Gespräch des Intendanten mit der Schauspielerin Annekathrin Bürger, dem Autor und Schauspieler Ulrich Thein und der Fernsehkritikerin Irma Zimm, moderiert von dem DEFA-Regisseur Gerhard Klein, im November 1963, was sicherlich in der künstlerischen Autonomie der Diskutierenden begründet war. Beim Thema Gegenwartsdramatik stellte Annekathrin Bürger offen die Kritikfähigkeit der DDR-Gesellschaft in Frage: »Konflikte haben wir schon, es ist nur die Frage, inwieweit die Konflikte ehrlich dargestellt werden können.« Wenngleich niemand im Studio auf ihre Anmerkung eingegangen ist, schien hier doch eine wirkliche Diskussion zu entstehen, deren Ernsthaftigkeit auch noch heute – knapp 60 Jahre – später zu spüren ist. Mit einem Witz über das Fernsehprogramm, in dem ein Außerirdischer nach dem Rezipieren des DFF-Programms zu dem Schluss kommt, die DDR sei ein sportbegeistertes Agrarvolk, brachte der Moderator noch etwas Lockerheit in diese Runde. Und letztlich erfährt man in dieser Sendung auch etwas über technische Probleme, die der Fernsehfunk damals hatte: Durch den Ausfall eines Stromaggregats kam es zu einer Panne bei der Übertragung eines internationalen Boxkampfes, doch statt den Ton laufen zu lassen, wurde dem sportbegeisterten Publikum ein Unterhaltungsfilm als Ersatzprogramm geboten, was allerdings auf wenig Begeisterung stieß.

Aus heutiger Sicht wirken diese Gespräche über die technische und inhaltliche Gestaltung des frühen Fernsehens steif und um Lockerheit bemüht. Doch sollte man im Hinterkopf haben, dass hier ein SED-Funktionär mit Kulturschaffenden spricht. Vor diesem Hintergurnd geben die Gespräche nicht nur einen Eindruck vom frühen Programm des DFF, sondern zeigen auch das Verhalten von Menschen, die sich als Kulturschaffende immer zwischen Politik und Kultur bewegen mussten. 

Brigitta Hafiz

Kurzinfo

Sendereihe: »Der Intendant ist im Bilde« / »Kleines Fernsehforum«
Genre: Gesprächssendung
Sendezeitraum: 1961 / 1962–1964
Sendeturnus: unregelmäßig
Sendedauer: 10 bis 35 Minuten 
Sendezeit: samstags, im Nachmittagsprogramm
Mitwirkende: Heinz Adameck (Intendant), in Vertretung: Dieter Glatzer (stellvertretender Intendant), Journalisten und Journalistinnen, Kulturschaffende aus Film und Fernsehen 
Nachfolgesendungen circa 1975–1979: »In eigener Sache«, »Fernsehpressekonferenz«
 

Online-Tipps

  • »Retro«-Gesamtangebot in der ARD Mediathek mehr
  • Zu Gesprächssendungen in der DDR auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung mehr
  • Projektbericht zu »ARD Retro« aus »Bibliothek – Forschung und Praxis« (2020) mehr

 

Weiterführende Hinweise

  • Personalia Adameck, DRA Zeitungsausschnittsammlung, hierin u.a.:
  • Heinz Adameck: »Hier ist der DFF«, in »DDR in Wort und Bild«, 12/1960