Szenenfoto »Flucht aus der Hölle« | Bildquelle: DRA/Josef Borst (1812136)

Das Fernsehprogramm nach der Grenzschließung

Der Blick nach Westen

Filme & Fernsehspiele in der Mauerbauwoche

In der Woche des Mauerbaus im August 1961 kam es auch im fiktionalen und dramatischen Bereich zu Veränderungen des Fernsehprogramms: Verschiebungen des Sendebeginns, Kürzungen oder Unterbrechungen, unangekündigte Filme wurden kurzfristig eingeschoben. Etablierte Programmplätze wurden jedoch meist beibehalten. Insgesamt herrschte spürbare Bewegung im Programmablauf.

Beim DFF spielte die Übernahme internationaler Produktionen bereits relativ früh eine große Rolle. Zwar gab es Bestrebungen, Eigenproduktionen zu stärken und etwa fünfzig Prozent des Angebots selbst zu bestreiten, jedoch gelang das anfangs nur bedingt. Die Programmwoche zeigt, dass der DFF in dieser Zeit durchaus Filme aus dem so genannten kapitalistischen Ausland ebenso wie Übernahmen aus der Zeit Deutschlands vor 1945 ausstrahlte, die nicht in erster Linie die Partei-Ideologie propagierten. Ankäufe aus dem sozialistischen Ausland überwogen jedoch und US-Produktionen wurden zu dieser Zeit noch ausnahmslos vermieden.

Im Bereich der Eigenproduktionen kamen die ausgestrahlten Fernsehfilme zu Beginn der 1960er Jahre selten ohne Bezugnahme auf die deutsch-deutsche Frage, den Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung in der DDR und die Entwicklungen des Kalten Krieges aus – und wurden damit häufig zu Erfüllungsgehilfen der staatlichen Propaganda.

Filme aus den »Sozialistischen Bruderländern«

So wurden am Tag des Mauerbaus zwei aus dem sozialistischen Ausland angekaufte Filme ausgestrahlt: Der planmäßig gesendete russische Kriminalfilm »Nächtliche Jagd« und das nicht angekündigte Fernsehspiel aus der ČSSR mit dem Titel »Tausend Blicke hinter die Kulissen«.

Die »Westsatire«

In der Fernsehdramatik der 1950er und 1960er Jahre zielte Satire und Groteske meist auf die westdeutsche Gesellschaft ab. Es scheint kein Zufall zu sein, dass sich der Beginn der Hochkonjunktur dieses »satirischen Blicks auf den Westen« im Vorfeld des Mauerbaus verorten lässt. Hier wird deutlich, wie stark die ideologische Legitimierung der DDR über die bewusste Abgrenzung zum »Westen« hergestellt wurde.

Die dargestellten Verwicklungen in der am 14. August ausgestrahlten Komödie »Pickhuhns Geburtstag« spitzen in fast zynischer Weise komische Konfliktsituationen zu und sollten so die reaktionären Tendenzen und Verlogenheit der westdeutschen Gesellschaft entlarven. Die Zustände in der Bundesrepublik werden derart ins Lächerliche gezogen und ermöglichen eine Abgrenzung zum Westen. Die im Film mehrfach genannte überragende Qualität der »Ostzonen«-Produkte ist ein Hinweis auf die Propaganda für die DDR als wirtschaftlich überlegender Staat.

So versucht Pickhuhn einem Fraktionsmitglied in der folgenden Szene den unliebsamen »Ost-Projektor« unterzuschieben, um den sich in dem Film eine Affäre entwickelt hat. Er versucht sein Gegenüber dabei mit dem Wissen zu erpressen, dass er VEB-Unterhosen trage. Die Absurdität dieser Szene wird durch die visuelle Anordnung der Bildelemente untermauert: Vor den Augen des Bundesadlers als Wandsymbol führen die beiden Figuren ihren grotesken Streit.

Ausschnitt aus »Pickhuhns Geburtstag« (13.11.1960). - Ein Fernsehspiel in der Regie von Joachim Loeb, Autor: W. K. Schweickert (Deutscher Fernsehfunk).

Der Montagsfilm

Unter dem Motto »Für den Filmfreund« eingerichtet, war der Montagsfilm eine beliebte Sendereihe für alte Filme wie die deutsche Filmproduktion »Sieben Briefe« aus dem Jahr 1943/44. Der in den letzten Kriegsjahren entstandene Spielfilm wurde am Montagabend des 15. Augusts 1961 gesendet und war unterhaltendes Kriminallustspiel und Liebeskomödie zugleich.

Das Gegenwartsfernsehspiel

»Die Dienstreise« gilt als Beispiel für eine kleine Anzahl weitgehend unpolitischer Produktionen von Beginn der 1960er Jahre, die zur Unterhaltung dienen sollten und sich um Sujets aus dem Privatleben wie Ehekrach, Eifersucht und Urlaubsstimmung drehten.

Der erste Fernseh-Mehrteiler

Fernseh-Mehrteiler waren DEFA-Produktionen im Auftrag des DFF. Ein solcher wurde erstmals 1959 produziert und blieb bis zur Auflösung des DFF nach dem Mauerfall eine gängige und zentrale Form der Fernsehspiel-Produktion.

Die am 17. August 1961 ausgestrahlte Version des Mehrteilers »Die Flucht aus der Hölle« war eine gekürzte Version des gleichnamigen Vierteilers aus dem Jahr 1960, der offenbar bei den Fernsehzuschauern auf ein positives Echo gestoßen war. Auffallend groß war daher auch die Ankündigung dieser Wiederausstrahlung in der Programmzeitschrift: Sie wurde mit dem »überaus starke(n) Echo« der Zuschauer begründet, die »immer wieder (…) eine Wiederholung« verlangten.

Die Entstehung der Mehrteiler ist im Kontext von Auf- und Ausbau des Fernsehens zu betrachten. Erst 1960 waren entsprechende Produktionskapazitäten vorhanden. Vor allem aber beruht sie auf einer Konkurrenzsituation zum westdeutschen Fernsehen und war eine direkte Reaktion auf den Erfolg des ersten Fernsehmehrteilers des WDR, »So weit die Füße tragen« aus dem Jahr 1958/59.

Inhaltlich wurde die Produktion »Die Flucht aus der Hölle« in der Programmzeitschrift wegen ihrer »politischen Wirkungskraft« gelobt. Im Lauf der beiden Teile desertiert der unter zweifelhaften Umständen nach Algerien gelangte Fremdenlegionär Hans Röder (Armin Müller-Stahl), setzt sich für den Freiheitskampf des algerischen Volkes ein und versucht, zurück in Westdeutschland, der Terrororganisation »Rote Hand« zu entkommen.

Am Ende kann er sich mit seiner Verlobten in die DDR retten, wo er in Gefahr war, da die Behörden der Bundesrepublik den Terroristen zuarbeiten. Dabei wird das Thema des Algerienkonflikts als Hintergrund genutzt, um Westdeutschland als unmenschlichen und verbrecherischen Staat darzustellen. Deutlich formuliert die Figur Röder in einer Schlüsselszene seine Motivation für die spätere Flucht in die DDR: »Ich will endlich in Ruhe leben – wie ein Mensch leben.«

Aussagekräftig über Selbstverständnis und Feindbilder der propagierten sozialistischen Gesellschaft sind insbesondere die unterschiedlichen Darstellungen der beiden Städte Frankfurt am Main und Ostberlin: Die westdeutsche Stadt ist im Film in Dunkelheit getaucht, voll künstlichem Licht durch Leuchtreklame, Vergnügungsetablissements und Autoverkehr dominieren das Bild und die Musik verstärkt eine Stimmung latenter Bedrohung.

Ausschnitt aus dem Fernsehmehrteiler »Flucht aus der Hölle«, Teil 2 - gesendet 18.08.1961. Autor: Rolf Guddat, Regie: Hans-Erich Korbschmitt und Hans-Jürgen Brandt. (Deutscher Fernsehfunk)

Dagegen erscheint Ostberlin hell und freundlich, es herrschen geschäftiges Tempo und (Auf-)Bautätigkeit. Der Reichtum an Grünanlagen, Neubauten und historischem Erbe sowie zufriedene Bewohner werden positiv in Szene gesetzt.

Ausschnitt aus dem Fernsehmehrteiler »Flucht aus der Hölle«, Teil 1 - gesendet am 17.08.1961. Autor: Rolf Guddat, Regie: Hans-Erich Korbschmitt und Hans-Jürgen Brandt. (Deutscher Fernsehfunk)

Um Spannung, Dramatik und Unterhaltungswert des ideologisch eindeutigen Stoffes zu erhöhen, wurden Elemente des Kriminalfilms und Agententhrillers wie Verfolgungsjagden oder Schusswechsel eingeflochten. Verglichen mit heutigen Sehgewohnheiten wirken die Schnittfolgen weitgehend schemenhaft und erzeugen ein geringes Tempo.

Die DFF-Eigenproduktionen um den Mauerbau herum weisen eine deutliche Blickrichtung nach Westen auf. Forschungen zufolge verschob sich diese Perspektive nach »Festigung der Staatsgrenzen« zunehmend und wandte sich der sozialistischen Gesellschaft und ihren Vorzügen zu.

Anna Pfitzenmaier

Literatur

  • Büttner, Elisabeth (Red.): Über Ruinen zu neuem Leben / Kontinuitäten (= Filmhimmel Österreich, Heft 63), Wien 2007.

  • Dittmar, Claudia; Vollberg, Susanne (Hrsg.): Zwischen Experiment und Etablierung. Die Programmentwicklung des DDR-Fernsehens 1958 bis 1963, Leipzig 2007.

  • Habel, Frank-Burkhard: Das große Lexikon der DEFA-Spielfilme. Die vollständige Dokumentation aller DEFA-Spielfilme von 1946-1993, Berlin 2000.

  • Hoff, Peter: Auf dem Weg zum Massenmedium – Der Ausbau des DDR-Fernsehens von 1956-1961, in: Hickethier, Knut: Geschichte des deutschen Fernsehens, Stuttgart/Weimar 1998, S. 181-197.

  • Ebd.: Zwischen Mauerbau und VIII. Parteitag – Das Fernsehen der DDR von 1961 bis 1971, in: Hickethier, Knut: Geschichte des deutschen Fernsehens, Stuttgart/Weimar 1998, S. 281-313.

  • Lexikon des internationalen Films. Das komplette Angebot in Kino, Fernsehen und auf Video, hrsg. vom Katholischen Institut für Medieninformation (KIM) und der Katholischen Filmkommission für Deutschland, Hamburg 1995.

  • Schültzke, Steffi: Propaganda für Kleinbürger. Heitere Dramatik im DDR-Fernsehen (MAZ 35), Leipzig 2009.

  • Steinmetz, Rüdiger; Viehoff, Reinhold (Hrsg.): Deutsches Fernsehen Ost. Eine Programmgeschichte des DDR-Fernsehens, Berlin 2008.

  • Wendtland, Karlheinz: Geliebter Kintopp. Sämtliche deutsche Spielfilme von 1929-1945 mit zahlreichen Künstlerbiographien, Jahrgang 1943, 1944 und 1945, Berlin 1989.