Ankunft der ersten 3000 entlassenen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion in Frankfurt/Oder | Bildquelle: Bundesarchiv, Bild 183-V20312-14 / CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Die Sowjetunion entlässt die ersten 100.000 deutschen Kriegsgefangenen

Am 31. Juli 1946 berichtete der Mitteldeutsche Rundfunk vom Eintreffen eines der ersten Transporte deutscher Kriegsgefangener aus der Sowjetunion im Leipziger Hauptbahnhof.

Vom Eintreffen des ersten Kriegsgefangenentransports in Leipzig. 31.07.1946 (KONF 4105958)

Wie dieser Transport passierten auch alle weiteren Züge, die ehemals in der Sowjetunion Inhaftierte beförderten, zunächst das Lager Gronenfelde in der Nähe von Frankfurt/Oder. Hier waren bereits einige Tage zuvor, am 22. Juli, die ersten Heimkehrer eingetroffen. Die Erfahrungen, welche die aus der Haft entlassenen Männer in den sowjetischen Lagern hatten machen müssen, waren kaum Thema in der medialen Berichterstattung. War die Zeit der Inhaftierung doch Gegenstand, so wurde diese durchweg positiv bewertet. Der Blick auf die Vergangenheit – sofern überhaupt Thema –  richtete sich vielmehr auf die im Faschismus gründende deutsche Schuld. So auch in der Reportage vom Mitteldeutschen Rundfunk, die der vor Ort tätige Berichterstatter mit den Worten schloss:

»Eine Familie ist wieder vereint, und immer mehr werden sich wieder finden und so nach und nach werden all die tiefen Wunden heilen, die sich unser Volk in furchtbarer Verblendung selbst geschlagen hat. Es wird gesunden. Auf allen Gebieten spüren wir den Aufbauwillen.«

Derartige Einschätzungen waren bereits vor Juli 1946 über den Äther gegangen. Besonderes Gewicht hatten solche moralisierenden Kommentare vor allem dann, wenn sie von den Heimkehrern oder aber den noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Männern selbst kamen. Gelegenheit, deren Stimmen zu hören, boten zahlreiche Sendereihen, in denen Inhaftierte Grußbotschaften an ihre Familien richten konnten. Leider ist keine dieser Sendereihen im Deutschen Rundfunkarchiv überliefert. Jedoch findet sich im Hörfunkbestand ein Bericht des Berliner Rundfunks vom Januar 1946, der die Post deutscher Kriegsgefangener zum Gegenstand hat und einen Eindruck davon vermittelt, wie sich solche Sendungen angehört haben.

Gespräch mit einem Postbeamten über die eingegangene Post aus russischer Kriegsgefangenschaft. 06.01.1946 (KONF 1771679)

Der Umstand, dass es den Kriegsgefangenen gestattet war, Kontakt zu den Angehörigen in der Heimat zu pflegen, sollte das Bild einer Siegermacht befördern, die sich wohlwollend gegenüber den nicht vor allzu langer Zeit vom Nationalsozialismus verblendeten Deutschen zeigte. Auch die sehr allgemein gehaltenen Schilderungen der Kriegsgefangenschaft, in denen vielfach auf die gute körperliche Verfassung von gegenwärtig und ehemals Inhaftierten hingewiesen wurde, sollten diesem Ansinnen dienen.

Setzten sich die Rundfunksendungen nicht mit der faschistischen Vergangenheit Deutschlands auseinander, so stellten sie die Wiedersehensfreude der Kriegsgefangenen und derer Angehöriger in den Fokus. Es sind insbesondere die Grüße, die Angehörige ihren in Kürze heimkehrenden Ehemännern, Vätern und Söhnen übermittelten, die Zeugnis von dieser Freude ablegen.

Zwei Ehefrauen und eine Tochter grüßen über den Sender Leipzig ihre heimkehrenden Ehegatten und den Vater. 27.07.1946 (KONF 4105955)

Der Blick ist hier ganz eindeutig auf Zukunft und Neuanfang der bald wiedervereinten Familien gerichtet. Eingebettet waren diese familiären Schicksale freilich in den gesamtgesellschaftlichen Kontext. Nach Vorstellung der neuen politischen Elite sollte eine antifaschistisch-demokratische Ordnung errichtet werden, und zwar unter tatkräftiger Mithilfe der anscheinend durch die Haft nicht sonderlich beeinträchtigten Heimkehrer. Die einseitige bzw. mitunter defizitäre Berichterstattung über die sowjetische Kriegsgefangenschaft war ein Bestandteil der Propaganda, die ein ausgeprägt positives Bild der Sowjetunion zeichnete. Eine der Realität angemessene Aufarbeitung der Erfahrungen deutscher Kriegsgefangener in der Sowjetunion sollte erst mit Ende des Bestehens der DDR möglich werden.

Annika Müllner

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