Programmunterlagen Landessender Dresden, Sendebeitrag »Sächsische Zeitungsschau« vom 07.01.1947 | Bildquelle: DRA

Ums nackte Überleben

Deutschland nach Kriegsende

Auf dem Schwarzmarkt tauschen die Menschen Devisen, Schmuck und andere Sachwerte gegen Nahrungs- und Genussmittel. Versuche der Behörden, den Schwarzhandel zu unterbinden, bleiben trotz drastischer Strafen erfolglos.

Mit Kriegsende und den ersten Nachkriegsjahren explodierte der Schwarze Markt. Aus der Not heraus begannen die Deutschen zu hamstern, zu kompensieren und zu organisieren. Die Ursachen für die massive Ausdehnung des Schwarzhandels lagen, so berichten Zeitzeugen einhellig, in der schlechten Versorgungslage und im nackten Überlebenswillen. Große Teile der Industrie waren zerstört, der Transportmittelbereich lag darnieder, um die Landwirtschaft stand es schlecht. Kriegszerstörungen und eine Zunahme der Bevölkerung in den vier Besatzungszonen verschärften die Ernährungslage. Seuchen drohten. Lebensmittelkarten sollten die Voraussetzung für die Versorgung der Bevölkerung schaffen. Weite Teile der Bevölkerung, v.a. in den größeren Städten und Ballungszentren, versuchten zusätzlich durch Hamsterfahrten und durch »Organisieren« die prekäre Lage zu verbessern und das Überleben zu sichern. Der Tauschhandel florierte. Durch die Verschärfung der Versorgungslage – Lebensmittelzuteilungen, medizinische Versorgung, Brennstoffe – blieb der Bevölkerung oftmals nichts anderes übrig, als »schwarz« zu handeln. Die neue Überlebensmoral lautete: Durchkommen um jeden Preis.

 

»Jeder hätte mit Recht jeden des Diebstahls bezichtigen können.«

Heinrich Böll

Das Leben in Trümmern, das alltägliche Elend, die Erfahrungen auf dem Schwarzen Markt und die zerstörte Gesellschaftsordnung veranlassten den Schriftsteller Heinrich Böll die Deutschen der ersten Nachkriegsjahre als »Gesellschaft von besitzlosen und potenziellen Dieben« im täglichen Überlebenskampf zu beschreiben: »Jeder besaß das nackte Leben und außerdem, was ihm unter die Hände geriet: Kohlen, Holz, Bücher, Baumaterial. Jeder hätte mit Recht jeden des Diebstahls bezichtigen können. Wer in einer zerstörten Großstadt nicht erfror, musste sein Holz oder seine Kohlen gestohlen haben, und wer nicht verhungerte, musste auf irgendeine gesetzwidrige Weise sich Nahrung verschafft oder verschafft haben lassen.«  (Heinrich Böll: Heimat und keine. Schriften und Reden 1964-1968, München 1985).

Der Schwarze Markt verstärkte Unrecht, grenzte Hilfsbereitschaft aus, zerbrach jegliche Solidarität. Der Schwarze Markt bevorzugte den Stärkeren, der etwas zu tauschen hatte, er benachteiligte Habenichtse. Abgesehen vom Umfang lag die Bedeutung des Schwarzen Marktes darin, dass er anonym vonstatten ging. Unbekannt blieben meist die Akteure selbst wie auch der Gegenstand ihres verbotenen Geschäfts.

Wie in den westlichen Besatzungszonen war auch in der Sowjetischen Besatzungszone der Schwarzmarkt von zentraler Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung mit Überlebensnotwendigem. Die Bevölkerung konnte und wollte nicht darauf verzichten. Demgegenüber bemühten sich die staatlichen Stellen, über die Medien und mit Hilfe von Polizeigewalt, konsequent und unnachgiebig gegen den Schwarzen Markt und seine Auswirkungen vorzugehen. Einer Vorlage der SED, in der die Todesstrafe u.a. für Schieber und Schwarzhändler gefordert wurde, entsprach der Sächsische Landtag allerdings nicht. Der FDGB Sachsen wertete dies als Fehlabstimmung und richtete folgende Resolution an den Sächsischen Landtag, in der die Todesstrafe gegen Schwarzhändler gefordert wurde. Die Resolution wurde im Anschluss an die Ansprache von Rudi Jahn, Mitglied des Landesvorstandes des FDGB Sachsens, verlesen, in der Jahn für die Anwendung der Todesstrafe gegen die »Feinde des Volkes« plädierte. Die Sendung wurde am 18. Februar 1947 im Programm des Landessenders Dresden ausgestrahlt, ist jedoch im DDR-Hörfunkbestand des DRA nicht überliefert. Lediglich das Sendemanuskript ist erhalten:

1946 stellte sich der Mitteldeutsche Rundfunk mit den Sendern Leipzig, Dresden, Magdeburg und dem Thüringischen Landessender Weimar mehr und mehr auf eigene Füße und löste sich aus der Abhängigkeit von Berlin. Am 7. Dezember nahm der Mitteldeutsche Rundfunk mit den Sendern Dresden und Leipzig eigene Wortsendungen auf. Es war das Bestreben, behutsam und darum vorsichtig und langsam an der Schaffung jener Lebensformen mitzuhelfen, die unter dem Begriff »Demokratie« im Deutschland der Nachkriegszeit erst wieder erlernt werden musste.

Umfangreich erhalten geblieben ist das Programmschriftgut des Landessender Dresden. Neben detaillierten Nachweisen der Sendetätigkeit sind Sendemanuskripte aus etlichen Redaktionen und von vielen Sendereihen vorhanden. Die dichte Programmüberlieferung des Landessender Dresden für die Jahre 1946 bis 1949 macht diesen Bestand wertvoll, spiegelt sich darin die kulturelle und politische Nachkriegsentwicklung der Stadt Dresden und Sachsens in herausragender Weise wider.

Die Screenshots sind der zweiten Folge der Kriminalreihe »Drei von der K« entnommen. Diese Folge trägt den Titel »Gift vom Schwarzen Markt« und spielt im Jahr 1946, einem Jahr, in dem Schieber und Spekulanten im Nachkriegsdeutschland versuchen, auf allen Gebieten Gewinn aus dem Mangel zu ziehen. Der Schwarze Markt blüht, die Kriminalpolizei ermittelt. Ausgestrahlt wurde die Folge am 2. Juli 1969 im DDR-Fernsehen. Die Folge ist unter der Identifikationsnummer 008143 im Fernsehbestand des DRA überliefert.

Jörg-Uwe Fischer

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