Berlin, Potsdamer Platz 1946 | Bildquelle: picture alliance/akg-images

Wahl zur Berliner Stadtverordnetenversammlung

Am 20. Oktober 1946, eineinhalb Jahre nach Kriegsende und mehr als dreizehn Jahre nach der letzten Wahl einer Berliner Stadtverordnetenversammlung im März 1933, waren die Berliner aufgerufen, eine parlamentarische Volksvertretung für die Dauer von zwei Jahren zu wählen. 92,3 Prozent der 2,3 Millionen Wahlberechtigten der Vier-Sektoren-Stadt machten am 20. Oktober 1946 von ihrem Recht Gebrauch, in freier Wahl ihre Stimme abzugeben.

Die neu gewählte Stadtverordnetenversammlung sollte im Auftrag der Alliierten eine neue Verfassung erarbeiten. SPD und CDU machten das Übergewicht der SED-Repräsentanten im von der Sowjetischen Militäradministration am 19. Mai 1945 eingeführten Magistrat und in den Rathäusern der Bezirke zu einem wichtigen Wahlkampfthema. Die SED, die ihren Machtanspruch aufrechterhalten wollte, sah darin das Bestreben, die Spaltung der Arbeiterbewegung zu forcieren. Hermann Matern, Vorsitzender des Landesverbandes der SED Groß-Berlin und späteres Mitglied des höchsten politischen Führungsgremiums der SED, des Politbüros, äußerte sich in einem Wahlaufruf dazu:

Aufruf von Hermann Matern zu den Stadt- und Bezirksverordnetenwahlen von Groß-Berlin. 20.10.1946 (Ausschnitt, KONF 2001932)

Die SPD ging als klarer Sieger aus der Wahl hervor. Mit 48,7 % und 63 von 130 Mandaten verfehlte sie die absolute Mehrheit nur knapp. Die CDU erhielt 22,2 % der Stimmen und 29 Mandate. Während die SED bei den Landtagswahlen 1946 in allen Teilen der Sowjetischen Besatzungszone stärkste Partei wurde, konnte sie in Berlin infolge der Konkurrenz durch die SPD nur 19,8 % erreichen. Die restlichen 9,3 % der Berliner Stimmen entfielen auf die Liberal-Demokratische Partei LDP. Das Ergebnis kann als klare Ablehnung der SED gewertet werden, die trotz großzügiger Wahlhilfen seitens der sowjetischen Besatzungsbehörden in Form von Papier für Plakate und Flugblätter ihre Führungsrolle nicht behaupten konnte.

Adolf Wuschick, Alterspräsident der Berliner Stadtverordnetenversammlung, betont in seiner Eröffnungsrede zur 1. Sitzung der Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin das mit der Wahl verbundene Bekenntnis zur Freiheit und Demokratie. 26.11.1946 (Ausschnitt, KONF 5248325)

In ganz Deutschland und auch in Europa wurde die Wahl als ein Zeichen der Freiheit und der Abrechnung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit gesehen. Dennoch sollte es die erste und auch die letzte Gesamtberliner Wahl bis zur Wiedervereinigung Deutschlands bleiben. Nachdem die Sowjets im Sommer 1948 den Alliierten Kontrollrat für Deutschland und die Alliierte Kommandantur in Berlin verlassen hatten, brach auch die gemeinsame Stadtverwaltung auseinander. Die Fraktion der SED nahm an den Parlamentssitzungen nicht mehr teil.

Am 8. Oktober 1949, einen Tag nach der Gründung der DDR, stellte Joachim Lipschitz (SPD) in einem Rückblick auf die Wahl vom 20.10.1946 fest, dass »von den von allen vier Besatzungsmächten verheißenen demokratischen Freiheiten nur noch eine Karikatur übrig geblieben ist«.

Manja Meister

Joachim Lipschitz, SPD, in der 28. Sitzung der 2. Wahlperiode der Stadtverordnetenversammlung von (West-) Berlin, rückblickend auf die Wahlen vom 20.10.1946. 08.10.1949 (Ausschnitt, KONF 1187736)

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