Foto: DRA/Thea Karger
»Hier spricht Berlin, hier spricht Berlin!«
Am 13. Mai 1945 überträgt der Berliner Rundfunk die erste Sendung nach Kriegsende
Ein kleiner Trieb aus einem abgestorbenen Baum – so wird in einer Wandcollage der Neubeginn des Rundfunks nach dem Zweiten Weltkrieg dargestellt. Das Bild steht für die kleinen Zeichen der Hoffnung, die die Bewohner Berlins im Mai 1945 wahrnehmen konnten – genauso wie der improvisierte Charakter der Collage für den ebenso improvisierten Sendestart des Radioprogramms steht.
»Hier spricht Berlin«, tönte es an einem Sonntagabend im Berliner Frühling erstmals aus den Rundfunkgeräten, und was die Menschen in der Hauptstadt hörten, war anders als die Sendungen des Berliner Senders, die bis wenige Wochen zuvor ausgestrahlt wurden. An diesem 13. Mai, also elf Tage nach der endgültigen Besetzung Berlins durch die Rote Armee und fünf Tage nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht, ging auf Anordnung des sowjetischen Stadtkommandanten Nikolai Bersarin die erste Sendung nach Kriegsende über den Sender Tegel. Seit dem 24. April war die Anlage von der Roten Armee besetzt und damit der Sendebetrieb des nationalsozialistischen Reichssenders Berlin mit täglichem Wehrmachtsbericht eingestellt. Nun gratulierte über den Sender der sowjetische Oberste Befehlshaber Josef Stalin seiner Armee zum Sieg und verkündete das Ende des Krieges.
Foto: Bundesarchiv, Bild 204-023 / CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons/Henryk Gorovits
In der übertragenen Botschaft der ersten Sendung ist allerdings nicht der Generalissimus selbst zu hören, sondern der Rundfunksprecher Matthäus Klein, der Stalins Botschaft und die anderer verliest – in einem Übertragungswagen sitzend, der in der Nähe des Senders Tegel aufgestellt war. Alle Leitungen zwischen dem Haus des Rundfunks in der Berliner Masurenallee und dem zehn Kilometer entfernten Sender waren zu diesem Zeitpunkt zerstört, so dass die Rundfunkmitarbeiter im hergerichteten Ü-Wagen zum Sender fuhren, um vor Ort provisorisch zu übertragen. Selbst diese Fahrt nach Tegel gestaltete sich schwierig, da alle Brücken über Spree und die Berliner Kanäle gesprengt waren. Sie fuhren durch eine zertrümmerte Stadt, sahen aber auch Menschen, die bereits den Schutt beseitigten und mit dem Wiederaufbau begannen. Matthäus Klein schilderte dies 30 Jahre später in einem Gespräch mit dem Rundfunk der DDR so:
Foto: DRA
In dieser Situation zwischen Verzweiflung und Aufbruch sprach Matthäus Klein am 13. Mai 1945 um 20 Uhr über den Sender und übermittelte den Berlinern neben der Botschaft Stalins den Wortlaut der Urkunde der Kapitulation der deutschen Streitkräfte, die Botschaften und Glückwünsche von Winston Churchill und Harry Truman an Stalin sowie das Kommuniqué des Informationsbüros der Sowjetunion zur Kapitulation der letzten geschlossenen Heeresgruppe der Wehrmacht an der Ostfront im Kurland-Kessel. Es sind allerdings nur zwölf von insgesamt 70 Sendeminuten jenes Abends, die als Ausschnitt im Deutschen Rundfunkarchiv vorliegen. Dieses Dokument aus dem Wortbandarchiv des Rundfunks der DDR ist hörbar geschnitten. Was im Sendungsmitschnitt nicht enthalten ist, erinnert nicht nur der damalige Sprecher in seinen späteren Rundfunkinterviews, sondern kann über die überlieferten handschriftlichen Manuskripte rekonstruiert werden. Die Sendung eröffnete mit den Nationalhymnen der Besatzungsmächte – freilich an erster Stelle die Hymne der Sowjetunion:
Foto: DRA
Der Berliner Rundfunk war mit dieser Sendung der dritte Sender im Nachkriegsdeutschland, der unter Kontrolle der Besatzer wieder ausstrahlte: Bereits am 4. Mai 1945 meldete sich Radio Hamburg mit der britischen Nationalhymne und englischsprachigen Meldungen, und am 12. Mai strahlte Radio München als »Sender der amerikanischen Militärregierung« das erste Programm aus. Der Sendestart des Berliner Rundfunks am 13. Mai fällt zusammen mit dem Tag, an dem der Reichssender Flensburg seinen Sendebetrieb einstellte und damit das auf Veranlassung der Regierung Dönitz eingerichtete provisorische letzte Radioprogramm der Nationalsozialisten verstummte.
Karin Pfundstein
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